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Interview mit Dennis Burmeister (dt.)
Interview mit Dennis Burmeister
Einleitung:
Interview mit Dennis Burmeister, einer der beiden Autoren von "Monument", dem Fanbuch über die erfolgreiche Elektronik-Band Depeche Mode. Alle Infos zum Buch und wo ihr es kaufen könnt, findet ihr in unserem Feature (hier klicken).
Hallo Dennis, wir kennen uns jetzt schon viele Jahre. Genaugenommen kann ich mich gar nicht mehr erinnern wo wir uns das erste mal trafen aber ich bin mir sicher es hatte etwas mit Depeche Mode zu tun. Nun hast du mit Sascha Lange zusammen ein Buch über Depeche Mode geschrieben, welches sich “Monument” nennt. Ich denke ein guter Grund, um mit dir ein Interview zu führen…
Du bist ja seit langer Zeit Fan. Wann hast du begonnen Depeche Mode zu hören? Waren sie deine Lieblingsband sofort nach dem ersten Hören – eine Art Liebe auf den ersten Blick? Gab es andere Künstler, die die Chance hatten, dein Favourite zu werden?
Liebe auf den ersten Blick…hmmm…das trifft in meinem Fall nicht zu. Ich habe gerade in den 80ern viel Musik gehört, dabei auch Künstler der unterschiedlichen Genres. Ich wuchs in einer Kleinstadt in MeckPomm auf. Jeder hörte damals Neil Young oder Bob Dylan, AC/DC, Motörhead oder Iron Maiden. Ich fand zum Beispiel Sique Sique Sputnik ziemlich abgefahren, aber die hörte bei uns in der Stadt irgendwie niemand. Dass man Fan von ausschließlich einer Band war, fand ich damals schon irgendwie schräg…
Meine erste wirkliche Erinnerung an Depeche Mode ist, dass ich im Radio “Pipeline” gehört habe. Ich kann mich nicht mehr erinnern, welcher Sender es war, aber ich dachte tatsächlich, das Radio wäre kaputt. Die zweite, recht intensive Erinnerung habe ich, als 1986 bei Ronnys Pop-Show, einer beliebten Musiksendung in den 80ern (die von einem sprechenden Schimpansen moderiert wurde) das Video zu “A Question Of Time” gezeigt wurde. Das war schon einer dieser gewissen Momente, weil es so anders war… Der Song klang so unglaublich “neu”, die Melodie war ziemlich eingängig und blieb sofort hängen. Das Video dazu war so anders als das, was man sonst so aus dem kunterbunten Musik-TV der 80s kannte. Das war wirklich ein sehr spezielles Erlebnis. Ich finde es auch schade, dass es solche Momente heutzutage nicht mehr gibt, weil es kaum noch Sounds oder Visuals gibt, die man noch nicht gehört, bzw. gesehen hat…von daher kann man irgendwie auch froh sein, in den frühen 80ern aufgewachsen zu sein.
1987 hatte ich dann die Greatest Hits von AMIGA (der einzigen Plattenfirma in der DDR, Anmerkung d. Redaktion) auf Kassette und hab mich sofort in “Shake The Disease” verknallt. Naja, jeder Depeche Mode-Fan wird sich sicherlich an seine ersten Male mit der Band erinnern, ich erlebe diese Unterhaltungen immer wieder. Ich habe eh den Eindruck, dass gerade Depeche Mode-Fans sehr nostalgisch sind und gern, bzw. vor allem auch in der Erinnerung leben. Ich war aber nicht der klassische Depeche Mode-Fan, wie es andere zu diesem Zeitpunkt schon waren. Wie gesagt, ich hörte viele Bands, vor allem auch anderer Genres. Außerdem war der Zugang zu Musik in der DDR ziemlich limitiert. Konnte man überhaupt Fan einer Band sein, von der man nur ein paar verrauschte Tapes zu Hause hatte? Ich glaube nicht…aber der Begriff “Fan” ist eh Definitionssache.
(Fanvideo zu Depeche Mode’s “Pipeline”, Song enthalten auf “Construction Time Again”, Mute 1983)
Ich erinnere mich, dass es schon zu Beginn der 90iger Jahre, als ich begann Depeche Mode zu hören, etliche Parties zu DM gab. Bist du zu solchen Parties gegangen? Hast du dich wie Dave Gahan oder Martin Gore gestylt?
Waren wir nicht alle ein bisschen Dave? hahaha… Dave-Dancing-Events fand ich allerdings schon immer dämlich. Am Ende ist es aber jedem selbst überlassen. Jeder feiert die Band, wie er möchte. Und Fan-Kultur treibt nicht nur unter Depeche Mode-Fans die unmöglichsten Stilblüten. Der Dresscode jedenfalls, also schwarze Klamotten, Lederhosen, schwere Docs und vor allem die Bürste, wurden ja bereits Ende der 80er von der “Szene” absorbiert. Bei einigen Gestalten wusste man auf Anhieb nicht, ob sie Depeche Mode-Fan waren, oder grundsätzlich EBM und diesen ganzen Elektro-Kram hörten. Ähnlich war es ja auch bei den Gothics, welche toupierte Haare, bleiche Gesichter und verwischte Schminke von Siouxsie Sioux oder Robert Smith als Szene-Merkmal übernahmen. Dieser ganze Szene-Schnickschnack bekam Ende der 80er nochmal so eine gewisse Eigendynamik und es gab etliche Dave Gahan und Robert Smith look-a-likes.
(Dennis Burmeister, 1991)
DM haben gerade das Album “Delta Machine” veröffentlicht (Mehr Info hier). Vor dem Erscheinen haben sich viele Fans, insbesondere die älteren und “Langzeit”-Fans, über die letzten Arbeiten der Band beschwert bzw. rumgenörgelt. Mit dem neue Album “Delta Machine” hingegen sind viele erstmals seit langem wieder zufrieden und über das Ergebnis glücklich. Bevorzugst du die älteren Sachen? Was denkst du, hat sich am Sound seitdem geändert (bezogen auf Zeit von den ersten Aufnahmen bis zu den Platten in den letzten Jahre)?
Klar höre ich den alten Kram lieber! Ich gehöre aber auch zur „Alan Wilder Come Back“-Fraktion…haha…Scherz. Aber ernsthaft: der Verlust von Alan Wilder ist meiner Meinung nach absolut hörbar. Die Songstrukturen waren früher wesentlich komplexer und es gab tolle Harmonien. Spezielle Sounds und Melodien sucht man heutzutage leider vergebens. Klar sind die Songs noch eingängig und bleiben im Ohr, aber es ist dennoch anders, irgendwie zu monoton für meinen Geschmack.
Ich bin mir nicht sicher, warum das so ist, aber die Band existiert für mich zweimal: einmal vor, einmal nach Alan Wilders Weggang. Die einzigen Konstanten auf jedem Depeche Mode-Album sind die Gore-Nummern. Würde es die nicht mehr geben, wären es irgendwie nicht mehr Depeche Mode. Das heißt aber nicht, dass ich die Band nicht mehr mag, bzw. mich ihre Arbeit weniger interessiert. Ich bin natürlich noch Fan, allerdings auch wesentlich kritischer als früher. Warum? Keine Ahnung, aber man hat persönliche Ansprüche, die sich im Laufe der Jahre nun mal grundlegend verändert haben. Vielleicht liegt es ja auch nur an mir, dass die Alben bei mir nicht mehr so zünden? Wer weiß…
(Offizielles Video zu Depeche Mode’s “Soothe My Soul”, Song enthalten auf “Delta Machine”, Columbia/Sony 2013)
Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute sich noch dran erinnern, aber du warst auch der Webmaster der offiziellen deutsche Website des Labels Toast Hawaii, welches von Andrew Fletcher im Jahr 2002 gegründet worden ist. Hast du sie betrieben, weil du Fan warst oder war das mehr ein regulärer Job als Grafikdesigner, welchen du ja erlernt hast? Hattest du regelmäßige Treffen mit Andrew, um den Inhalt und das Design zu diskutieren? Wie habt ihr zusammengearbeitet?
Also das war tatsächlich mehr Job, als alles andere. Es gab ein gewisses Interesse an Fletchs neuem Label und an der ersten Label-Verpflichtung CLIENT. Deren erstes Album gefiel mir damals wirklich sehr gut und ich besuchte auch einige Shows der Band. Außerdem gab es Pläne für eine DJ-Tour von Andy Fletcher, es gab zahlreiche Interview- und Booking-Anfragen an MUTE, die aber als klassisches Platten-Label andere Aufgaben hatten. Also entschied man sich kurzerhand, eine deutschsprachige Label-Seite zu etablieren. Booking- und Interviewanfragen leitete ich direkt nach UK weiter, mit Material, News und sonstigen Informationen rund um Toast Hawaii wurde ich von der wunderbaren Judith Frankenberg versorgt, die damals noch für MUTE Germany tätig war. Zur Gestaltung und zum Inhalt der Webseite gab es keinerlei Vorgaben. Aber offensichtlich hat es Fletch sehr gut gefallen, denn ein deutscher Veranstalter bestellte mir eines Tage herzliche Grüße von Fletch via E-Mail, der zu diesem Zeitpunkt irgendwo in einem deutschen Hotel saß und sich die Webseite ansah.
(Offizielles Video zu Client’s “Here and now”, Song enthalten auf “Client”, Toast Hawaii 2013)
Aber lass uns über euer Buch reden. Es ist sehr anders als die vielen bereits veröffentlichten Sachen über Depeche Mode. Was war deine/eure Intention das Buch zu erarbeiten?
Ich konnte die Geschichten rund um die Band einfach nicht mehr hören, diese einseitige Betrachtungsweise, als hätte der künstlerische Output von Depeche Mode, also die Musik, nie stattgefunden. Das nervt mich wirklich, vor allem auch bei der aktuellen Berichterstattung zum Album und zur Tour, weil zwar sämtliche Klatschblätter über die Band berichten, sich dabei aber fast ausschließlich auf Drogen- und Nahtod-Erfahrungen des Frontmannes stützen. Klar ist es ziemlich naiv zu glauben, den Medien ginge es auch nur ansatzweise um die Musik, aber genau diese Art der Berichterstattung fand man auch in etlichen Depeche Mode-Büchern wieder, die seit Jahren immer wieder mal veröffentlicht wurden. Mir war das viel zu oberflächlich und die privaten Geschichten rund um die Band interessierten mich am Ende auch kaum noch.
In unserem Buch sollte es daher ausschließlich um den musikhistorischen Hintergrund dieser großartigen Band gehen. Die Buch-Idee war nicht neu und es gab in den vergangenen Jahren häufiger Anfragen, mich mit meinem gesammelten Material doch an einem Buchprojekt zu beteiligen, aber ich blieb lange Zeit skeptisch.
Ich hatte, bzw. habe aber seit Jahren ein sehr gutes Verhältnis zu Intercord, bzw. MUTE, für die ich in den letzten Jahren hin- und wieder als Grafiker und Veranstalter tätig war und Label-Chefin Anne Haffmans wusste dadurch auch von meiner Depeche Mode-Sammlung. Anne war es auch, die mich am Ende von der Buch-Idee überzeugen konnte und letzte Zweifel ausräumte. Sie entwickelte im Laufe der Zeit ein grundehrliches Interesse an meiner Sammlung. Ich denke, ihr gefiel einfach der Ansatz, wie ich mit Musik und generell mit der Bandgeschichte umging. Meine Sammlung eignete sich auch für die Pressearbeit rund um die Band und ich bekam über MUTE immer häufiger Anfragen, wenn man Informationen oder Material zur Band brauchte, z.B. für Artikel in diversen Musikmagazinen oder für hauseigene Pressetexte zu neuen Depeche Mode-Veröffentlichungen. Anne brachte mich in diesem Zusammenhang auch mit Sascha Lange aus Leipzig zusammen, der 2008 an einer Dokumentation zum Depeche Mode-Konzert in Ostberlin 1988 arbeitete. Ich traf mich mit ihm daraufhin bei MUTE im Büro und so nahm dann alles irgendwie seinen Lauf…
… aber ihr habt euch entschieden die Band selbst nicht zu interviewen. Oder gibt es einen anderen Grund warum die nicht im Buch vorkommen?
Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir die Band nicht interviewen werden. Der Reiz lag tatsächlich darin, Zeitzeugen zu finden und zu Wort kommen zu lassen, die eine völlig neue Sicht auf die Band ermöglichen. Rückblickend betrachtet war es die richtige Entscheidung. Der Erfolg der Band gründet sich schließlich nicht nur auf Verkaufszahlen von vier attraktiven Poster-Boys. Gerade die Zusammenarbeit mit Daniel Miller und MUTE in den frühen 80ern, oder mit der INTERCORD in Deutschland, dem eigentlich wichtigsten Markt für die Band, hätte wohl ein eigenes Buch gefüllt. Ich finde dieses Konzept immer noch sehr erfrischend. Für die englische Ausgabe bereiten wir einige andere Interviews vor, die für die internationale Ausgabe wohl interessanter zu lesen sind. Aber wir bleiben unserem Konzept treu.
(Depeche Mode, fotografiert von Anton Corbijn 2013)
Depeche Mode wurden von Mute-Gründer Daniel Miller entdeckt und arbeiteten lange Zeit mit ihm und Mute. Daniel Miller war sogar in die Produktion des neuen Albums “Delta Machine” involviert, obwohl es das erste Album ist, welches nicht mehr auf seinem Label Mute erschienen ist. Habt ihr versucht ein Interview mit ihm über seine DM Erlebnisse zu bekommen?
Wie du ja vielleicht schon weißt, ist ein Interview mit Daniel für die englischsprachige Ausgabe unseres Buches vorgesehen. Und ich denke, wir kommen auch nochmal darauf zu sprechen, auch wenn es schon ein sehr spannendes Interview mit Anne Haffmans zum Thema gab. Daniel Miller wird die Frage wie gewohnt sehr salomonisch beantworten. Ich glaube nicht, dass er sich zu sehr privaten oder emotionalen Äußerungen hinreißen lässt. Außerdem scheinen sich ja alle mit der derzeitigen Situation abgefunden zu haben.
(Fanvideo zu The Normal’s “Warm Leatherette”, Song auf “Warm Leatherette”, Mute 1978)
Wie du bereits erwähnt hast, bist du nicht nur an Depeche Mode interessiert, sondern hörst auch viele andere Mute-Bands mit viel Leidenschaft. War es nicht ein bisschen verrückt all die Leute zu treffen, die hinter deiner Lieblingsmusik stehen bzw. im Hintergrund arbeiten?
Erstaunt war ich lediglich über die sehr positiven, freundlichen und fast herzlichen Reaktionen auf unsere Interview-Anfragen, zum Beispiel von Herbert R. Kollisch, der uns ungefragt Bildmaterial aus seinem privaten Archiv angeboten hat. Ich meine HALLO? Herbert R. Kollisch, über Jahre hinweg erfolgreicher Geschäftsführer bei der Intercord Tonträger GmbH, einem der erfolgreichsten Labels in Deutschland und als eines der kreativsten Zentren des internationalen Musikmarktes bekannt geworden! Das sind so die kleinen Wunder rund um das Buch, die die Arbeit am Buch nicht nur sehr spannend gemacht haben. Wir wussten aufgrund solcher Reaktionen auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch der bisherige Erfolg des Buches gibt uns dabei Recht.
Hast du bestimmte Wünsche, was Depeche Mode in der näheren Zukunft tun sollen?
Nein, wirkliche Wünsche gibt es nicht…oder doch? … ein Alan Wilder-Comeback wäre ein Traum…aber will ich das wirklich? Nein…ich glaube nicht…